Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (1997-2000)
Am 13.08.1997 legten wir beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.06.1997 ein.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.12.2000 bestätigt, dass die innere Struktur und Organisation einer Religionsgemeinschaft mit den Vorgaben des Vereinsrechts in Konflikt liegen können. Der Körperschaftsstatus einer Religionsgemeinschaft erleichtere es allerdings, ihre Organisation und ihr Wirken nach den Grundsätzen ihres religiösen Selbstverständnisses zu gestalten. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der den Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV angebotene Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit ist und die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaft unterstützen soll.
Die Verfassungsrichter entschieden, dass von Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus nicht, wie vom Bundesverwaltungsgericht gefordert, verlangt werden könne, loyal zum Staat zu stehen. Das religiöse Verbot der Teilnahme an Wahlen rechtfertigt für sich allein nicht die Versagung des Körperschaftsstatus. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.06.1997 verletzt Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 WRV und wurde daher aufgehoben. Zur Untersuchung im fachgerichtlichen Verfahren, ob die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter einer Verleihung des Körperschaftsstatus entgegenstünden, wurde das Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Zweites Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (2001)
Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.05.2001, mit dem die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin zurückverwiesen wurde, machten die Richter klare Vorgaben zur weiteren Untersuchung des Verhaltens unserer Religionsgemeinschaft. Im Fokus der Untersuchung standen mögliche Bluttransfusionen an unsere Kinder und das Ausscheiden von Familienangehörigen aus der Religionsgemeinschaft. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass eine Gefährdung des Kindeswohls durch Erziehungsvorgaben der Religionsgemeinschaft nicht angenommen werden könne.
Zweites Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin (2001-2005)
Am 25.03.2004 fand eine mündliche Verhandlung statt. Der daraus folgende Beschluss vom 05.04.2004 (OVG 5 B 12.01) wurde wegen Veränderungen des erkennenden Senats des Oberverwaltungsgerichts am 22.09.2004 aufgehoben. Daher wurde eine erneute mündliche Verhandlung für den 02.12.2004 anberaumt.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung legte das Oberverwaltungsgericht am 02.12.2004 einen Vergleichsvorschlag vor. Diesen hat das Land Berlin nach Rücksprache mit allen übrigen Bundesländern abgelehnt. Obwohl es im Falle einer Verleihung einen Verzicht auf gewisse Rechte nach sich gezogen hätte, haben wir den Vergleich angenommen.
Am 24.03.2005 verkündete das Oberverwaltungsgericht Berlin im Verfahren um die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts seine Entscheidung zu unseren Gunsten. Nach Auffassung des Gerichts erfülle die Religionsgemeinschaft die Voraussetzungen für die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Gegen die Nichtzulassung der Revision reichte das Land Berlin die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Drittes Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (2005-2006)
Mit Beschluss vom 01.02.2006 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 7 B 80.05) die Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin wurde damit rechtskräftig. Die Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen in Deutschland wurde nunmehr endgültig vom Land Berlin als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Damit kam das mehr als 12 Jahre andauernde gerichtliche Verfahren zu einem Abschluss.
Verleihung der Körperschaftsrechte
In seiner Sitzung am 13.06.2006 nahm der Berliner Senat zustimmend zur Kenntnis, dass die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur beabsichtigt, der Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen in Deutschland, e. V. den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen. Die Verleihung erfolgte am selben Tag und wurde im Amtsblatt für Berlin bekannt gegeben (Amtsblatt für Berlin vom 14.07.2006, S. 2428).
Am 05.07.2006 überreichte Staatssekretärin Barbara Kisseler die Urkunde zur Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Werner Rudtke, einem Mitglied des Zweigkomitees (geistliche Leitung der Religionsgemeinschaft). Die Übergabe bildet den Schlusspunkt unserer seit 1990 dauernden Bemühungen um die Anerkennung als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft. Jehovas Zeugen in Deutschland gehören damit zu den mehr als 25 Religionsgemeinschaften in Berlin, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sind.